2008 Michael Kalchgruber

Ein historisches Schauspiel aus dem unteren Mühlviertel aus der Zeit des Vormärz in der Zeit von 1821 - 1949;
für die Aiser-Bühne bearbeitet von Konsulent Franz Reindl nach einem Stück von Lorenz Hirsch;

Michael Kalchgruber - Der Rebell des Mühlviertels

„Der Kalchgruber und seine Zeit“
Michael Huemer vulgo Kalchgruber

 

Das beginnende 19. Jahrhundert war für die Landbevölkerung des Mühlviertels denkbar schlecht. Die Obrigkeit versuchte durch horrende Steuern und Zwangsarbeit (Robot) auf den herrschaftlichen Gütern das Letzte aus den Bauern herauszupressen.
Die lokalen Behörden waren korrupt und interessierten sich mehr für ihre eigenen Taschen als für das Wohlergehen ihrer Untertanen.

 

In dieser Zeit wurde der Bauernsohn Michael Huemer vulgo Kalchgruber zum Richter von Katzbach gewählt. Energisch setzte er sich für die Belange der Katzbacher Bauern ein und verfasste mit Erfolg auch Beschwerden für die Nachbargemeinden. Nachdem er sogar beim Kaiser Audienz erhalten hatte, wurde er im Mühlviertel als Sprecher der Unzufriedenen bekannt. Dem Beamtenstaat war sein Treiben ein Dorn im Auge und so verhaftete man ihn kurzerhand als Bauernaufwiegler und Lügner. Nach 102 Tagen Haft wurde der aufsässige Richter frühzeitig entlassen, um seine Felder bestellen zu können. Danach sollte er wieder kommen und die restlichen 16 Tage absitzen. Die Behörden glaubten wohl den Kampfgeist des Richters gebrochen zu haben, doch sie fehlten weit.

 

Entgegen der behördlichen Anweisung tauchte Michael Kalchgruber unter und verfasste weiterhin Beschwerdeschriften an den Kaiser. In diesen Schriften rechnete der ehemalige Richter mit dem Beamtenstaat gehörig ab. Seine Texte richteten sich vor allem gegen die Obrigkeit, gegen die korrupten Beamten, aber auch gegen moralische Missstände, wie so manchen unsittlichen Dorfpfarrer. Niemand schien vor ihm sicher zu sein. Die Behörden gerieten immer mehr unter Druck und setzten eine Belohnung auf die Ergreifung des Flüchtigen aus.

Doch auch die Bauern verstanden es, ihren „Doktor Michel“ zu verteidigen. So drohten sie, jedem, der zum Verräter wurde, den Hof anzuzünden. Bestärkt durch die Schriften Kalchgrubers erhoben sich immer mehr Bauern gegen die Obrigkeit.

 

Besonders in Schwertberg weigerten sich unzählige Bauern weiterhin den Robot zu leisten. Die bloßgestellten Behörden begannen nun, verdächtige Bauernhäuser zu überwachen und stationierten verstärkt Militär und Polizei im Unteren Mühlviertel. Doch Michael Kalchgruber blieb unauffindbar. Die Bauern deckten ihn mit Herz und Seele.

 

Einmal gelang es der Polizei eine Kirche zu umstellen, in welcher der Flüchtige die Sonntagsmesse hörte. Als dies ein Bauer bemerkte, eilte er in die Kirche und man schmiedete einen Plan. Die auswärtigen Beamten wussten lediglich, dass Kalchgruber am rechten Fuß hinke. Daran wollte man ihn zwischen den anderen Kirchengängern erkennen. Als aber die Messe vorüber war und sich die Kirchentore öffneten, staunte die Polizei nicht schlecht. Jeder einzelne der herausströmenden Gläubigen hinkte am rechten Fuß. In dem daraufhin entstehenden Chaos gelang Michael Kalchgruber wieder einmal die Flucht.

 

Um den ehemaligen Richter endlich zu ergreifen, begannen die Behörden Spitzel ins Mühlviertel einzuschleusen. Jedoch ohne Erfolg. Saß einer dieser Spitzel im Wirtshaus, so sprachen die Bauern laut über einen falschen Aufenthaltsort des Gesuchten. So kam es, dass die Polizeieskorten Kalchgruber an völlig falschen Orten suchten. Die Bauern nannten diese Taktik liebevoll „Leute verschicken“.

 

Immer wieder tauchte der Bauernrebell auf, ermutigte die Bauern zum Widerstand und verschwand ebenso schnell wieder. 28 Jahre lang schaffte er es, den Behörden die Stirn zu bieten. In der Zeit seiner Flucht verfasste er 90-100 Hofbeschwerden. Bei einem durchschnittlichen Umfang von 20 Seiten würde das ein Gesamtwerk von 1.800 bis 2.000 Seiten ergeben.

 

Um sich vor seinen Verfolgern zu schützen, errichtete Michael Kalchgruber ein ausgeklügeltes System von Verstecken, grub eigenhändig Fluchttunnel und reiste lediglich bei Nacht. In der Landbevölkerung wurde der Bauernsohn Kalchgruber, der alleine den gesamten Beamtenapparat in Schach hielt, zur Legende. Er war die Seele des Widerstandes und ermutigte die Bauern sich für die Gerechtigkeit einzusetzen.

 

Der endgültige Durchbruch des jahrzehntelangen Kampfs gelang in Wien durch den Antrag von Hans Kudlich bezüglich Auflösung der Grundherrschaft und Schaffung einer 3. Ständekammer. 1848 rebellierten die Wiener Bürger gegen den unfähigen Kaiser Ferdinand den Gütigen, oder, wie ihn die Bevölkerung nannte „Gütinant den Fertigen“ und erzwangen seinen Rücktritt. Unter seinem Nachfolger, Kaiser Franz Josef, sollte sich auch für den Bauernstand einiges ändern.

 

Doch Michael Kalchgruber war es nicht vergönnt, sich an dem Sieg zu erfreuen. 28 Jahre hatte er die Behörden zum Narren gehalten. 28 Jahre, die nicht spurlos an ihm vorübergingen. Beschrieben die Steckbriefe Kalchgruber zu Beginn seiner Flucht noch als großen hageren Mann, mit braunem Gesicht und braunen Haaren, so suchte man 14 Jahre später bereits nach einem älteren Mann mit blassem Gesicht, auffallend weißen Händen und lichtem weißem Haar. Die Jahre in ständiger Angst, versteckt in dunklen Löchern, fernab von seiner Frau und seinen Kindern, forderten nun ihren Tribut.

Michael Kalchgruber starb am 10. Mai 1849 im Beisein seiner Tochter in Oberweitersdorf. Diese teilte nach seinem Ableben den Behörden mit, man könne den Kalchgruber nun sehen, er liegt auf dem Laden (Bahre).

 

Mit ihm endete die lange Geschichte der Unterdrückung der Bauern. Nie wieder sollte der Bauernstand in jene Knechtschaft des beginnenden 19. Jahrhunderts zurückfallen. Der letzte Schritt zur Freiheit war begangen.

Noch heute ist der Mythos Michael Kalchgruber nicht verblasst. Vor allem in der „älteren Generation“ des Mühlviertels finden sich noch viele, die Geschichten dieses Rebellen des Mühlviertels erzählen können. Diese Erzählungen wurden über 150 Jahre von einer Generation an die nächste weitergegeben.

 

All jenen Geschichten ist eines gleich.
Michael Kalchgruber war ein Mann des Volkes, der für die Freiheit bereit gewesen war, seine Existenz zu opfern. „ Er war einer von uns!“.

Benedikt Rohrauer / 2008

 

Die Akteure/-innen:

Michael Huemer, vulgo Kalchgruber - Franz Rosenthaler

Katharina, dessen Frau - Ingrid Schöberl

Liesl, deren Tochter, spätere Kellererbäurin - Katharina Lacko

Seppl, der späteren Kellererbäurin Kind - Tobias Posawetz

Johann Oyrer, vulgo Weigelmüller - Josef Moser

Theres, seine Frau - Nina Pilsl

Fabian Ertl, vulgo Schützenhofer - Johann Hannl

Mathäus Hametner, vulgo Klug aus Niederaich - Franz Leithenmayr

Franz Hofer, vulgo Ebner aus Tragwein - Wolfgang Walkner

Johann Gstöttenbauer, vulgo Kellererbauer bei Alberndorf - Willi Hannl

Michael, dessen Sohn - Robert Nirnberger

Josef Voggeneder, vulgo Klammbauer bei Gutau - Gottfried Reindl

Pirnsteiner Toni Wilderer, später Jäger - Andreas Buchmayr

Annamirl, dessen späteres Weib - Olga Dolgova

Bader Urschl, Kräuterbrockerin - Annemarie Moser

Ferdl, Knecht bei Kalchgruber - Rene Klomser

Nazl, Knecht bei Kalchgruber - Matthias Masilko

Nandl, Magd bei Kalchgruber - Julia Schöberl

Marianndl, Kellnerin - Fiona Thurner

Der Pfleger von Riedegg - Benedikt Rohrauer

Der Pfleger von Schloss Haus - Johann Wurm

Der Amtsschreiber von Wildberg - Siegfried Springer

Der Amtsschreiber von Riedegg - Walter Stamm

 

Maske: Petra Puchinger, Gerti Mayböck, Erika Tischberger

Kostüme: Ingrid Hinterholzer

Bühnentechnik und Beleuchtung: Daniel Hinterholzer, Fritz Hinterholzer

Bühnenbild: Mitglieder der Aiser-Bühne-Schwertberg

Bühnenbearbeitung: Franz Reindl

 

 

Regie: Clemens Nirnberger

Fotos